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Alt 20.06.2010, 13:41   #1 (permalink)
kanonenfutter
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Idee [Tutorial] Objektivgrundlagen

Da öfters die Frage auftaucht, was denn eigentlich die ganzen Zahlen auf einem Objektiv bedeuten, und was jetzt überhaupt ein gutes oder schlechtes Objektiv ausmacht, möchte ich die elementaren Dinge hier in diesem Thread behandeln. Dies dürfte vor allem für die Besitzer von (D)SLRs interessant sein, da diese sich beim Kauf weiterer Objektive darum Gedanken machen müssen.


Was ist ein Objektiv?

Ein Objektiv besteht im wesentlichen aus einer bestimmten Anzahl von Linsen, welche meist aus Glas, manchmal aus Plastik, hergestellt sind. Diese Linsen sind in einem Gehäuse (meist Plastik, manchmal Metall), dem sogenannten Tubus untergebracht. Durch das Objektiv treten die Lichtstrahlen ein und werden gebündelt, bevor sie auf den Sensor/Film treffen. Das Objektiv ist damit der wichtigste Faktor, wenn es um das erreichen einer guten Bildqualität geht.


Festbrennweite und Zoom

Bei den Objektiven wird prinzipiell in die beiden Arten Festbrennweiten- oder Zoomobjektiv unterschieden. Bei Festbrennweiten ist die Brennweite fix, kann also nicht verändert werden. Zur Änderung des Bildausschnitts muss man sich vom Objekt weg / auf das Objekt zu bewegen. Diese Objektive sind daran zu erkennen, dass sie nur mit einer Brennweitenangabe gekennzeichnet sind (z.B. Canon EF 35mm F2.0 => die Brennweite beträgt hier fix 35mm). Festbrennweiten gelten als die schärfsten Objektive überhaupt, da bei ihnen durch die Konstruktion einer einzigen Brennweite die Abbildungsfehler sehr gering gehalten werden können.

Zoomobjektive erlauben das ändern der Brennweite innerhalb eines festgelegten Bereiches. Der sogenannte Zoomfaktor gibt an, um wieviel höher die Endbrennweite gegenüber der Anfangsbrennweite ist (bei der Angabe Nikon AF 24-70mm ist der Zoomfaktor gleich 70 / 24 = 2,92, die Brennweite kann in dem Bereich von 24-70mm variiert werden). Umso größer der Zoomfaktor, desto schwieriger wird die Konstruktion eines entsprechenden Objektivs. Heutzutage sind Zooms bis zum Faktor 4 ohne Probleme nutzbar, manche reichen auch an die Qualität von Festbrennweuten heran. Superzooms mit Faktoren von 6-7 oder mehr sollte man nach Möglichkeit meiden.


Was bedeutet die Brennweite?


Die Brennweite gibt, vereinfacht gesagt an, wie stark sich ein Objekt "heranholen" lässt. Brennweitenangaben finden sich auf allen Objektiven bspw. in der Form: 10-22mm, 28mm, 24-104mm, 85mm, 70-300mm, 500mm, etc. pp.

Umso höher die Brennweite, desto stärker lassen sich Objekte heranholen. Man spricht hierbei von Teleobjektiven. Diese werden v.a. im Sport und der Tierfotografie benötigt, da man hier von einem vorgegebenen Standpunkt aus ein weit entferntes Objekt möglichst groß abbilden möchte.

Objektive mit einer "kurzen" Brennweite werden als Weitwinkelobjektive bezeichnet. Diese finden ihren Einsatz v.a. in der Landschafts- und Architekturfotografie, da es hier meist darum geht, ein großes Objekt vollständig abbilden zu können. Umso kürzer, also kleiner die Brennweite ist, desto näher kann/muss man an das Objekt heran, um es formatfüllend abbilden zu können.

http://www.tweakpc.de/forum/members/...-lifestyle.jpg
Quelle: Digitalkameras mit Weitwinkel-Objektiv: das ganze Panorama im Blick | Trends & Technik | Lifestyle | CNET.de

Anschaulich lässt sich das hiermit demonstrieren: Tamron Europe: Brennweitenvergleich


Brennweite in Abhängigkeit vom Sensorformat?

Oftmals hört man, die Brennweite eines Objektives würde sich ändern, je nachdem welches Sensorformat die Kamera nutzt. Das ist so nicht ganz richtig, denn die Brennweite ist eine physikalische Eigenschaft eines Objektivs und kann nicht verändert werden (außer durchs zoomen natürlich). Allerdings ändert sich bei unterschiedlichen Sensorgrößen tatsächlich der Bildausschnit und damit, scheinbar, die Brennweite.

Das klingt komplizierter als es ist. Früher, zu Zeiten der analogen Aufnahmetechniken mit Film, gab es für die SLRs nur eine "Sensorgröße", nämlich den 24x36mm großen Film (auch als Kleinbildformat bezeichnet). Heute gibt es neben den teuren Profimodellen mit 24x36mm großem Sensor (also gleiche Sensorgröße wie bei analogem Kleinbild, auch als Vollformat bezeichnet), noch kleinere Sensorgrößen bei den Einsteiger und Semiprofessionellen Modellen. Deren Sensoren sind nur ca. 22x15mm groß (als APS-C bezeichnet). Canon, Nikon und Sony bieten beide Sensorformate an. Canon bietet zusätzlich Kameras mit 28x19mm Sensoren an (APS-H). Olympus und Panasonic hingegen setzt auf nur ca. 17x13mm große Sensoren (FT).

Auf den Objektiven aller dieser Hersteller steht allerdings immer die Brennweite des Objektivs auf Kleinbildformat gerechnet. Ein Objektiv, welches einen Bildkreis zeichnet, welcher von einem 24x36mm großem Sensor ausgefüllt wird, kann auch auf allen anderen Sensorgrößen des jeweiligen Herstellers verwendet werden. Die kleineren Sensoren greifen sich aus diesem großen Bildkreis allerdings nur ein Stück aus der Mitte heraus:

http://www.tweakpc.de/forum/members/...bildwinkel.jpg
Quelle: Digitalkamera1x1.de - Bildwinkel Brennweite und Sensorgröße

Dadurch wirkt es bei einer Kamera mit kleinerem Sensor so, als würde man ein längerbrennweitiges Objektiv verwenden. Es ändert sich allerdings nicht die Brennweite, sondern der Bildausschnitt.

Über mathematische Beziehungen und die bekannten Sensorgrößen lassen sich somit für jeden Sensor ein sogenannter "Verlängerungsfaktor" (Crop-Faktor, Crop = Ausschnitt) berechnen. Für Kameras mit Kleinbildsensor ist dieser Cropfaktor 1. Die angebene Brennweite des Objektivs lässt sich somit 1:1 auf den erzeugten Bildausschnitt übertragen. Bei Sensoren mit APS-C ist dieser Faktor ca. 1,5 bis 1,6, bei APS-H 1,3 und bei FT genau 2.

Ich möchte das an einem kleinen Bsp. verdeutlichen: Nehmen wir bspw. ein 50mm Obektiv. Dieses wurde besonders zu Analogzeiten als sogenanntes "Normalobjektiv" verwendet, da es am analogen (und auch am digitalen) Kleinbildsensor (24x36mm) ziemlich genau dem Bildwinkel des menschlichen Auges entspricht. Brennweiten > 50mm (am Kleinbild!) sind Teleobjektive, Brennweiten < 50mm (am Kleinbild!) Weitwinkelobjektive. Verwendet man ein solches 50mm OBjektiv nun am APS-C Sensor dann hat das Objektiv immer noch seine 50mm, der kleinere Sensor zeigt aber nur einen Ausschnitt des Bildkreises und aufgrund des Cropfaktors kann man sich ausrechnen, dass die 50mm am APS-C wirken, wie wenn man ein 50mm * 1,6 = 80mm Objektiv am Kleinbild verwendet. Am FT-Sensor hätte man eine Bildwirkung, wie als wenn man ein 100mm Objektiv am Kleinbild verwendet (50mm * 2 = 100mm).

Ich denke der Begriff der Brennweite und ihre Eigenarten wären damit geklärt. Ich habe mich bemüht es möglichst einfach zu erläutern, sollte dennoch etwas unklar sein, einfach raus damit Ich möchte somit nun zum zweiten wichtigen Merkmal eines Objektivs kommen: der Blende.


Blendenangaben auf Objektiven

Neben der Brennweite wird ein Objektiv maßgeblich durch seine Blende charakterisiert. Auf Objektiven finden sich meist zusätzlich zur Brennweite eine Angabe zur Blende. Im nachfolgenden Bsp. findet man die Blendenzahl nach dem "F" (f-stop). Es wird immer die maximal mögliche Offenblende angegeben, dazu später mehr.

Bsp.: Canon EF 50mm F1.8 oder Nikon AF 24-70mm F2.8 oder Canon EF 70-300mm F4.5-F5.6

Mit diesen 3 Bsp. sind gleich die wichtigsten 3 Arten abgedeckt:
1. Bei einer Festbrennweite gibt es nur einen Offenblendenwert.
2. Bei Zoomobjektiven kann die Offenblende konstant sein, oder...
3. ...sich verändern (je nach Brennweite).

Die Blende ist eine mechanische Vorrichtung im Objektiv, die je nach Einstellung offen ist und somit die max. mögliche Menge an Licht herein lässt, oder eben immer weiter geschlossen wird und somit die einfallende Lichtmenge verringert. Ein großer Blendenwert (z.B. F16 oder F22) bedeutet eine fast geschlossene Blende, ein kleiner Blendenwert (z.B. F1.4 oder F2.0) eine geöffnete Blende. Umso größer die Blendenzahl, desto weniger Licht fällt auf den Sensor. Die Blende hat somit direkt Einfluss auf die Belichtungszeit und die Schärfentiefe:

http://www.tweakpc.de/forum/members/...de-page_id.jpg
Quelle: Blende / Verschlusszeit | Silvan Reiser

Wie gesagt werden auf Objektiven die Werte der Offenblende angegeben. Das heißt mit diesem Objektiv kann man die Blende bis zu den genannten Werten öffnen, mehr geht nicht. Es ist aber andersrum möglich die Blende weiter zu schließen, je nach Objektiv bis F22 oder F32.


Die Blendenreihe

Die Blendenreihe gibt die verfügbaren Blendenwerte geordnet vom kleinsten bis zum größten an. Im folgenden Bild sind ganze Blendenstufen angegeben (ohne Zwischenwerte):

f/ 1,0 - 1,4 - 2 - 2,8 - 4 - 5,6 - 8 - 11 - 16 - 22 - 32
Eine Blende bedeutet in der Fotografie die Verdopplung/Halbierung der Belichtungszeit.

Bsp.: Ein Objektiv mit Offenblende F2.8 misst für eine bestimmte Szene eine Verschlusszeit von 1/1000s ( bei F2.8 ). Die Szene soll allerdings mit F5.6 fotografiert werden. Da F5.6 genau 2 Blenden dunkler ist als F2.8, muss die Belichtung um exakt 2 Blenden länger ausfallen um den Lichtverlust zu kompensieren. Dafür kann man die entsprechende Zeitreihe hinzuziehen:

1 - 2 - 4 - 8 - 15 - 30 - 60 - 125 - 250 - 500 - 1000 - 2000
(Sekundenbruchteile, nur Berücksichtigung voller Blendenstufen ohne Zwischenwerte)

Die Szene wird daher mit F5.6 und 1/250s belichtet.


Die Blende und ihre Auswirkung auf die Schärfentiefe


Eine weit geöffnete Blende bedeutet eine geringere Schärfentiefe, was bedeutet, dass man ein Objekt vor seinem Hintergrund besonders harmonisch freistellen kann indem man diesen in Unschärfe versinken lässt. Lichststarke Festbrennweiten mit Blendenwerten < F2.8 eignen sich dafür besonders gut. Die Auswirkung auf die Schärfentiefe lässt sich mit folgendem Bild verdeutlichen:

http://www.tweakpc.de/forum/members/...de-page_id.png
Quelle: Blende / Verschlusszeit | Silvan Reiser

Umso weiter man abblendet, also die Blende schließt, desto größer wird der Schärfebereich. Andererseits steigt mit sehr stark geschlossener Blende die Beugungsunschärfe so stark an, das die Grundschärfe des Bildes meist ab F11 wieder abnimmt, während der Schärfebereich aber weiter zunimmt. Vollständig geöffnete Blenden zeigen bei Objektiven dagegen auch immer eine leichte Unschärfe, da hier das Objektiv am Maximum arbeitet und so Abbildungsfehler gnadenlos aufgedeckt werden. Leichtes Abblenden führt daher meist zu den schärfsten Ergebnissen.

Siehe auch: Beugungsunschärfe ? Wikipedia

Die Schärfentiefe hängt zusätzlich von der Größe des Sensors (umso größer der Sensor, desto geringer die Schärfentiefe) sowie der verwendeten Brennweite (größere Brennweite => geringere Schärfentiefe) und der Objektentfernung ab (geringere Entfernung => geringere Schärfentiefe).

Siehe auch: Online Depth of Field Calculator

Besonders im Makrobereich muss man meist sehr stark abblenden, da sonst der Schärfebereich nur Bruchteile eines Millimeters beträgt.


Die Blende und ihre Auswirkungen auf die Belichtungszeit

Wie bereits oben verdeutlicht wurde, bedeutet eine geöffnete Blende (also ein geringer Blendenwert), das besonders viel Licht auf den Sensor fällt. Die notwendigen Verschlusszeiten können daher gering gehalten werden. Schließt man die Blende (abblenden) verringert sich der Lichteinfall und es wird eine längere Belichtungszeit benötigt, um die Szenerie genauso zu belichten wie davor.

Geringe Blendewerte (F2.8 und weniger) werden daher v.a. im (Hallen-)Sport benötigt, da hier das Licht sehr begrenzt ist, die Verschlusszeiten aber gering gehalten werden müssen, damit es nicht zu Bewegungsunschärfe kommt.

http://www.tweakpc.de/forum/members/...ie-technik.jpg
Quelle: Schärfe < Bedienung der Kamera < Fotografieren < Fotoschule

Will man dagegen Landschaftsfotografie betreiben, sind geringe Blendenwerte nur selten von Vorteil. Hierbei muss meist eine hohe Schärfentiefe erzeugt werden indem man mit kurzen Brennweiten und abgeblendeten Objektiven arbeitet. Die Verschlusszeiten sind dabei meist irrelevant, da zur Not ein Stativ eingesetzt werden kann (bei sehr langen Belichtungen) und die Landschaft ja auch nicht wegläuft.

Ansonsten werden geringe Blendenwerte bei der Portrait oder AvailableLight Fotografie benötigt, einmal um mit geringer Schärfentiefe zu arbeiten und ein andermal um die Belichtungszeiten ohne künstliches Licht (Blitz) gering halten zu können.


Von Lichtstärke und Bildtabilisatoren

Die Lichtstärke eine Objektivs ist wie oben beschrieben, direkt durch die Offenblende charakterisiert. Umso weiter man die Blende eines Objektivs öffnen kann, desto lichtstärker ist es. Lichtstärke wirkt sich direkt auf die Belichtungszeit aus. Umso weiter man die Blende öffnet, desto mehr Licht fällt herein und desto geringer wird die Belichtungszeit. Geringere Belichtungszeiten helfen dem "einfrieren" von Bewegungen und der Vermeidung von Verwacklungen.

Mittlerweile werden auch immer mehr Objektive mit sogenannten Bildstabilisatoren ausgerüstet (Canon/Nikon). Dabei muss man beim Objektiv auf Namenszusätze wie "IS", "VC", "VR" oder "OS" achten. Dies trifft nicht auf Kameras von Pentax/Olympus/Panasonic/Sony zu, welche einen entkoppelten Sensor haben der Verwacklungen ausgleichen soll.

Vorweg: Ein Bildstabilisator ersetzt keine Lichtstärke!

Ein Bildstabilisator (im weiteren Verlauf IS genannt) ist eine bewegliche Linsengruppe im Objektiv, die Verwacklungen ausgleichen soll. Er ermöglicht so länger das fotografieren aus der Hand, bevor man ein Stativ einsetzen muss. Die Gefahr von Wacklern steigt bei größeren Brennweiten deutlich an. Es hat sich durchgesetzt als Faustformel für eine Verwacklungsfreie Belichtung zu rechnen: Zeit = 1 / (Objektivbrennweite * Cropfaktor).

Bei einem 300mm Objektiv an APS-C bedeutet dass einen maximale Verschlusszeit von etwa 1/480s, damit man aus der hand noch wackelfreie Bilder bekommt. Wenn die Blende nicht weiter geöffnet werden kann/soll hilft alternativ ein Stativ, oder eben ein IS. Der IS ermöglicht dann das wackelfreie fotografieren bis etwa 1/60s (in diesem speziellen Fall). Mit mehr Lichtstärke dagegen hätte man eine kürzere Verschlusszeit erzeugt. Je nachdem ob das Objekt statisch oder bewegt ist, kann der IS helfen, oder auch nicht. Zusätzlich bietet eine kleine Blendenzahl mehr gestalterischen Freiraum beim Spiel mit der Schärfentiefe, welches der IS nicht vermag.

Es gilt: Lichtstärke ist durch nichts zu ersetzen, außer durch noch mehr Lichtstärke. Ein IS hilft nur bei bestimmten Situationen, ist aber meist günstiger zu bekommen als lichtstarke Objektivvarianten.


to be continued...

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Umfangreiche (englischsprachige) Objektivtests findet man hier: http://www.photozone.de/reviews

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(man verzeihe mir Rechtschreibfehler bei so viel Text )

mfg
kanonenfutter

Geändert von kanonenfutter (20.06.2010 um 14:25 Uhr)
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