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Kolumne: abits endgültiger Ausstieg aus dem Mainboard Geschäft

Dienstag, 02. Sep. 2008 19:48 - [rj]

Nach langem Ringen wird es morgen dann leider soweit sein. Wie wir bereits berichteten wird abit seinen Ausstieg aus dem Mainboardgeschäft und die Hinwendung zu den consumer electronics bekannt geben.

Die Nachricht kommt nicht überraschend, denn die Gerüchte um den Ausstieg von abit aus dem Mainboard-Business tummeln sich schon lange auf diversen Webseiten, aber morgen wird es eben dann offiziell.

Wir von TweakPC können wohl behaupten lange Zeit "Experten" in Sachen abit gewesen zu sein, denn seit dem Start haben wir uns immer intensiv mit den Mainboards des taiwanischen Herstellers beschäftigt und waren Anlaufstelle Nummer 1 im deutschen Web, wenn es um abit Produkte ging.

Immerhin war abit, so die neue Schreibweise, der Mainboard Hersteller, der das Overclocking überhaupt erst salonfähig gemacht hat und daher damals genau richtig für uns. Und abit war einer der ersten Hersteller der gezielt den Kontakt zu den neuen Online-Medien suchte, während sich die anderen Hersteller noch auf die Print-Magazine stützten wurde abit nicht zuletzt auch durch das Internet bekannt und groß. Zu Zeiten, als TweakPC quasi niemand kannte, war abit der erste Hersteller der uns unterstützte und mit Testmustern versorgte. Man könnte also sogar sagen das abit sogar maßgeblich daran beteiligt war die "Review Szene" im Internet aufzubauen.

Auch wenn andere Hersteller sich heute gerne damit schmücken "for overclockers" zu sein und dies sicher heute auch sind: abit war der erste "Böse Bube" unter ihnen, der sich dem Thema besonders gewidmet hat und daher war abit auch lange Zeit Kult (und nicht gerade beliebt bei Intel).

Wer früher alte Celerons oder Pentium CPUs übertakten wollte, kam an einem abit Mainboard quasi nicht vorbei. Immerhin gehen auf das Konto von abit solche "Erfindungen" wie das erste Jumperless Mainboard, in dem alle Einstellungen direkt im Bios vorgenommen wurden. abit nannte dieses Feature seinerzeit "Softmenu". Und promoted wurde das Ganze auf der CeBIT Aftershowparty direkt in der Messehalle bei Freibier und lauter Musik bis nachts um 3 Uhr. Dazu überall tanzende "Softjumpys". Für heutige CeBIT Zustände quasi undenkbar. Wer es nicht selbst erlebt hat, wird es vermutlich auch nicht glauben. Bei abit traf sich die Overclocking Szene. Man kannte sich, tauschte sich aus und es wurden auch so manch lang andauernde Freundschaften geschlossen.

Bei den Platinen der Konkurrenz musste man seinerzeit noch umständlich kleine Jumper in bestimmen Konstellationen anordnen, um entsprechende Taktraten zu erlangen - und meistens hatte man zu wenig davon, so dass man sich ein Tütchen weitere Jumper - am besten die Luxus Ausführung mit "Fähnchen" - bei Conrad zulegen musste. Von echten Overclockern wurden die anderen Hersteller - meist OEMs - eher mit Spott überschüttet. Und viele dieser Hersteller haben es daher direkt unterlassen das Wort Overclocking überhaupt in den Mund zu nehmen.

Auch wenn es darum ging den FSB-Takt nicht mehr in großen 33 MHz Schritten sondern in kleinen für das Overclocking zu erhöhen. abit war dort einfach erste Wahl. Weiter ging es mit dem Übertakten des FSB über die Spezifikation. Das geradezu legendäre abit BX133 war das erste Board, welches einen FSB von 133 MHz erlaubte. An heutigen Maßstäben gemessen mag das nach nichts klingen, aber damals war es "high tech" und eine echte Vorreiter-Rolle die abit einnahm.

Wer sich noch an diese Zeiten erinnert wird auch feststellen wie sehr sich das Overclocking an sich verändert hat. Während es früher darum ging aus einem lahmen Studenten PC, der im Schneckentempo arbeitete einen brauchbaren Speed zu holen ohne Unmengen an Geld zu investieren, hat sich Overclocking heute zumindest in der "Präsentation" zu einer eher sinnlosen Show gewandelt.

Wer heute mit flüssigem Stickstoff aus 1000 CPUs den höchsten Takt für 5 Minuten herausholt und es schafft einen CPU-Z Screenshot abzuliefern ist der Overclocking King oder kurz gesagt: Wer das meiste Geld und die meisten CPUs rumfliegen hat, der gewinnt.

Damals ging es um den praktischen Nutzen, darum ein "rock solid" System zu bekommen - ein Begriff der später immer inflationärer genutzt wurde, so dass eigentlich alles rock solid war. Damals 30% bis 40% mehr Speed aufweisen zu können, um das elende Warten am PC zu verkürzen, das waren Welten. Aus heutiger Sicht kaum mehr vorstellbar, wo jeder noch so günstige PC genügend Power für Standard-Anwendungen bietet.

Seinen Höhepunkt erreichte abit dann wohl mit dem Dual Sockel 370 Board "abit BP6", basierend auf dem Intel 440BX Chipset - zwei dieser Boards liegen noch voll bestückt heute bei uns im Schrank und werden wohl auch einen Ehrenplatz behalten.

Das Board erlaubte SMP durch einen Trick mit dem günstigen Intel Celeron CPUs. So wurde ein Dualprozessor System für die Massen zu günstigen Preisen möglich. Zwei mal 1 GHz Takt zu bekommen war damals das große Ziel und dies war mit abit auch möglich. Mit einem passenden Linux System, denn Windows unterstützte keine 2 CPUs, ging es dann auch richtig schnell voran.

Das BP6 Board geht auf das Konto des bekannten Board Entwicklers Oskar Wu, der später von abit zu DFI wechselte, wohl einer der größten Verluste für abit. Wie populär das Board seinerzeit war, zeigte sich darin, dass es sogar extra Webseiten gab und sich Communities bildeten die sich nur mit diesem Board befassten. Zum Beispiel: BP6.com

Kolumne: abits endgültiger Ausstieg aus dem Mainboard Geschäft

Eine weitere Erfindung von abit, die wir heute quasi auf jeder High End Grafikkarte sehen ist das OTES System. abit war der erste Hersteller, der eine Grafikkarte auf den Markt brachte, die die Lüft im Gehäuse ansaugt und dann über einen Kanal durch das Slotblech nach außen befördert. Eine solche Lüftung findet sich heute auf jeder neueren großen Radeon oder GeForce Karte.

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ABITs Siluro GeForce 4200 - Erste Karte mit OTES System

Morgen werden sicherlich viele Webseiten das Ende von abit ausrufen, man wird lustige Grabsteine mit abit und RIP sehen und viele werden sagen "abit Boards waren eh nicht mehr gut". Aber, nur die wenigsten werden überhaupt wissen wofür abit eigentlich einst stand, denn immerhin sind seit den Höhenflügen von abit schon 8-10 Jahre vergangen.

Mit abit verschwindet einer der ehemals innovativsten Mainboardhersteller von der Bühne. Was bleibt sind die großen vier ASUS, MSI, Gigabyte und Foxconn. Hersteller die vor allem aus dem OEM Sektor gekommen sind. In Zeiten von Preisvergleichen und Co, in denen nur noch der günstigste Preis zählt und Gewinne nur noch über Absatzmasse erzielt werden, bleibt für kleinere Hersteller leider kaum mehr Platz.

Vermutlich ist es so nur eine Frage der Zeit, bis die anderen Kleinen das gleiche Schicksal ereilen wird. Zum Beispiel ist es um DFI in letzter Zeit verdammt ruhig geworden. Fakt ist aber auch das die "Innovationen" meistens nicht von den Großen kommen.

Für uns wird der 03. September 2008 jedenfalls ein denkwürdiger Tag, auch wenn abit schon lange nicht mehr beim Mainboard Geschäft mitmischt. Dass man sich nun bei abit auf consumer electronics konzentriert und anstelle von Mainboards digitale Fotorahmen mit Drucker präsentiert, passt wohl weder zum Namen noch zum Image von abit.

Wir verabschieden uns daher von den abit Mainboards stilecht mit einem Rückblick auf die "guten alten Zeiten" und graben dazu unseren Softjumpy - vermutlich den einzigen in Europa noch existierenden - aus, bestücken ihn mit einem nagelneuen Pack Mignon Batterien "extra stark" und lassen ihn hier noch einmal ein Ständchen singen - bevor er sicher verpackt und vor Staub geschützt wieder im Archiv verschwindet. ;-)


Abschließend ein herzliches Danke, an all die (Ex)-Mitarbeiter bei abit, die uns über Jahre hinweg immer unterstützt haben. Allen voran gilt unser Dank Thore Welling, der uns beispielhaft unterstütze und über die Jahre weit mehr als ein Geschäftspartner geworden ist.

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