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Kolumne: Spielend lernen? Möglich wär's!

Mittwoch, 16. Jun. 2010 14:19 - [jm]

Bildung ist seit jeher eines der Kernthemen. Ist aber die Wissensvermittlung noch zeitgemäß?

Keine Frage, Bildung in Deutschland ist nicht gleich Bildung. Aufgrund des Föderalismus in der Republik splittern die Bildungssysteme in 16 verschiedene Ansätze und wir alle wissen inzwischen: "Bildung ist Ländersache".

So frotzelt man im Süden der Republik schonmal, der bayrische Hauptschulabschluss sei schwerer zu erreichen, als das Bremer Abitur. Dennoch gibt es gewisse Standards und Ziele, die beispielsweise die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder vereinbart und vorgibt.

Allerdings krankt es nicht nur am wirren föderalen System, das Eltern durchaus in die Bredouille bringt, wenn die Familie von einem Bundesland ins andere ziehen möchte, oder Studenten, die bei einem Wechsel zu einer Universität in einem anderen Bundesland plötzlich mit Studiengebühren konfrontiert sind. Ganz zu schweigen von Konstrukten wie G8, Gesamtschule oder dem Bologna-Prozess.

Formal wird also seit Jahren herumgedoktort am System. Auf der anderen Seite geraten die Inhalte der Lehre und deren Gestaltung nur allzu oft aus dem Fokus der Öffentlichkeit; wenn, dann sorgen Konzepte wie die Fremdsprachenlehre schon in der Grundschule oder eine Rechtschreibreform für Aufsehen und Diskurs. Es soll auch tatsächlich noch Menschen geben, welche die Abwendung vom Frontalunterricht zur Gruppenarbeit alleine schon für das Allheilmittel halten.

Seit Langem beklagen Lehrkräfte die abnhemende Konzentrationsfähigkeit ihrer Zöglinge. Ein Schuldiger ist dann auch schnell ausgemacht: Übermäßiger Medienkonsum am PC, der Konsole, Games im Besonderen. Die Fähigkeiten in Kernfächern nehmen ab, Universitäten und Industrie beklagen regelmäßig das Fehlen von vorauszusetzenden Kompetenzen, gerade in den Naturwissenschaften.

Nun, die wenigsten Menschen werden Schulfächer wie Mathematik, Physik und Chemie als angenehm empfunden oder gar geliebt haben. Viele werden nicht gerade Glücksgefühle mit ihrer Schuleinrichtung verbinden. Zwar gibt es die alte Weisheit dass die "Schulzeit die schönste des Lebens" war, aber seien wir ehrlich: Die Betonung liegt da doch eher auf Zeit, als auf Schule.

Die Frage ist also mehr denn je, wie man Lehre und Spaß miteinander verknüpfen kann. Wenn die Schüler aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen immer hedonistischer werden, gleichzeitig aber die formalen und inhaltlichen Anforderungen immer weiter steigen, dann gibt es nur eine Möglichkeit, beides unter einen Hut zu bringen: Der Stoff muss Interesse wecken, indem er Spaß verspricht und ein Erfolgserlebnis in Aussicht stellt, das über eine Note (Motto: "Vier gewinnt") hinausgeht.

Und es gibt sie, diese Projekte, die beides verbinden. Sie kommen von Unternehmen, denen in Sachen Bildung und Zugang zu Bildungseinrichtungen in Deutschland aber allgemein eher misstraut wird. Das höchste hierzulande bislang vorstellbare ist das Prinzip der Berufsschule und des dualen Studiums. Unternehmen für die Praxis, die Bildungseinrichtung für die Theorie. Hier sollte künftig mehr Kooperation gewagt werden. Die künstliche Trennung sollte hin zu einem integrierten Konzept ausgebaut werden. Die Rechnung wäre simpel: Unternehmen erhalten über ein qualitativ hochwertiges Engegament Zugang zu einer Zukunftsressource (später qualifizierte, gut ausgebildete Mitarbeiter), dafür finanzieren sie die Projekte und entlasten so zu einem Teil die Bildungseinrichtungen.

Wir sind eine Webseite mit Schwerpunkt Computerhardware und da fallen uns natürlich direkt zwei Akteure ein; die beiden Chipriesen Intel und AMD.

Bei Intel sei die in Deutschland stattfindende Intel Leibniz Challenge genannt. Das Unternehmen investiert damit ganz gezielt in den Nachwuchs. Es gilt ein Jahr lang verschiedene, durchaus kniffelige Aufgaben zu lösen. An erster Stelle der Ziele nennt Intel den Punkt "Praxisnähe". Ein sehr wichtiger Punkt, der im Schulalltag leider viel zu oft nicht stattfindet oder unbeholfen vollzogen wird, getreu dem Motto für Versuchsaufbauten: "Chemie ist wenn es knallt und stinkt, Physik ist, wenn es nicht gelingt".

Die Intel Leibniz Challenge ist jedoch ein freiwilliges Projekt, an dem Teams teilnehmen können. Es findet also vielmehr außerhalb des Lehrplans statt, bestenfalls ergänzend dazu. Wünschenswert wäre aber tatsächlich eine Integration solcher Initiativen in den Lehrplan, so dass sich Theorie und Praxis nahtlos ergänzen.

Aber auch die Wissensvermittler, also Lehrkräfte, hat Intel im Blick. Mit "Intel Lehren - Interaktiv" vermittelt Intel den Pädagogen selbst das Wissen, wie sie Technik im Unterricht sinnvoll und gekonnt einsetzen. Nur mit Tafel, Kreide und Zirkel kann Unterricht im 21. Jahrundert nicht mehr stattfinden. Dementsprechend gilt es auch, das Lehrpersonal weiter zu bilden, hin zum sicheren und zielgenauen Umgang mit den neuen Medien.

AMD orientiert sich mit AMD Changing the Game vielleicht noch etwas mehr an den ureigenen Interessen junger Menschen, den Games. Denn die Schüler entwickeln hier selbst Spiele. Zwei Ziele haben die Projekte, nämlich einerseits Interesse und Fähigkeiten für STEM (Science, Technology, Engineering, Maths) zu entwickeln. Zum anderen ist es ein sozialer Ansatz, denn die so in Teamarbeit entwickelten Spiele sollen die kritischen Aspekte menschlicher Existenz (Energie, Umwelt, Armut, Hunger...) thematisieren.

So wird nicht nur das mathematische und physikalische Verständnis geschult, das zum Entwickeln eines Spiels natürlich nötig ist. Der Inhalt des Spiels kann auf jede Art von Wissen gebaut sein, sei es Kunst, Biologie, Religion, Geografie, Geschichte oder anderes. Alles ist denkbar, es ist gar miteinander verknüpfbar (beispielsweise Religion, Geografie und Geschichte zusammen) und die Schüler erwerben das Wissen spielerisch, indem sie es zur Erreichung des Spiele-Ziels zunächst sich selbst aneignen und dann zum Bestandteil ihres selbst erstellten Spiels werden lassen.

Zu welch interessanten, lustigen und auch kritischen Spielen der Nachwuchs im Stande ist, wird beim WorldWideWorkshop ersichtlich.



Wenn an den Stellschrauben der Bildungspolitik also einmal wieder gedreht werden soll, dann wäre es vielleicht ratsam, die Unternehmen zu mehr als Stipendiatenprogrammen heranzuziehen und das als festen Bestandteil der Lehre zu institutionalisieren - wie aufregend, motivierend und spaßig das sein kann, wird von IT-Riesen auf der anderen Seite des Atlantiks schon vorexerziert - auch in Deutschland gibt es bereits die ein oder andere Initiative, natürlich auch von Unternehmen, die nicht primär der IT Industrie angehören. Und die Vermutung liegt nahe, dass solch lang angelegte Projekte wesentlich effizienter sind als unbezahlte Zwangspraktika, Ausflüge in ein Planetarium oder zur örtlichen Kläranlage.

Microsoft verweist aktuell auf eine vom Unternehmen selbst bei TNS Infratest in Auftrag gegebene Umfrage unter Lehren, Eltern und Schülern. Unter dem Titel "Zahlen & Fakten: Quo vadis Bildungsrepublik?" stellt das Unternehmen eklatante Mängel bei Medienkompetenz und Medieneinsatz im Unterricht fest.

Natürlich erübrigt der Einsatz von IT nicht das anstrengende Büffeln! Aber das Wissen um ein konkretes, reales und mit Schülerinteressen übereinstimmendes Ziel spornt über die sich entwickelnde Faszination unter Garantie mehr an, als abstrakte Noten und die Aussicht auf einen Schulabschluss, irgendwann.

Wir haben in Deutschland in den letzten Jahren viel gefordert von jungen Menschen. Es wird Zeit, sie auch zu fördern. Und fördern ist nicht immer gleichbedeutend mit finanziellen Mitteln oder der Schul(re)form. Manchmal genügt es auch einfach, durch zeitgemäße Unterrichtsgestaltung konkret zu motivieren - willkommen im 21. Jahrhundert.

Übrigens: Die Abschlussveranstaltung der Intel Leibniz Challenge findet am 22. Juni in Hannover statt.
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