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Alt 26.06.2007, 22:53   #1 (permalink)
Heison
Abakus
 

Registriert seit: 05.12.2006
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Heison wird schon bald berühmt werden

Standard Zugriff auf Kommunikationsdaten der Bürger ohne Richtervorbehalt

In Deutschland wird gerade unter Federführung von Bundesjustizministerin Zypries ein Gesetz geformt, dass in der bisherigen Fassung aus Deutschland einen Orwellstaat zu machen droht, nachdem es vom Bundesrat nochmals verschärft wurde.

"Große, vernetzte Datenbanken halten fest, wer im vergangenen halben Jahr mit wem telefoniert, gemailt, SMS geschrieben hat. Sie speichern, wann und auch wo jedermann sein Mobiltelefon benutzt hat. Und sie protokollieren, wer wann im Internet herumlungert. Im kommenden Jahr ist das Realität, wenn alle Gesetzesänderungen zur Überwachung der Telekommunikation durchkommen, die die Bundesregierung gerade vorantreibt."

E-Mail-Anbieter müssen beispielsweise in Zukunft beim
- beim Versenden einer E-Mail,
- bei Ankunft einer Nachricht:
- bei Zugriff auf das Postfach
Datum, Uhrzeit und IP-Adressen speichern. Zudem müssen persönliche Daten der E-Mailnutzer wie Namen, Adresse und Geburtsdatum für die Behörden abrufbar gemacht werden.

Im Internet- oder Mobilfunkbereich ist es ähnlich: Handy-Provider müssen für jede Verbindung speichern, 1. wer 2. wo 3. mit wem und 4. wann telefoniert hat.
In der EG-Verordnung, auf der das gesetzliche Vorhaben basiert, war die Datensammlung noch auf "Zwecke der Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von schweren Straftaten" beschränkt.

Das deutsche Gesetz hat dies erweitert auf "zur Verfolgung von Straftaten" und "zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit".
Auch für Kleinstdelikte, die im StGB erwähnt sind, kann also in Zukunft die Datenbank genutzt werden. Begründet wir diese erhebliche Ausweitung mit Verstößen gegen das Vereinsgesetz durch Extremisten. Als ob Verstöße gegen das Vereinsgesetz sich zur Einschränkungen von Bürgerrechten rechtfertigen ließen! Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte dürfen auf diese Daten zugreifen. Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst und Militärischer Abschirmdienst dürfen ohne richterliche Anordnung diese Daten anzapfen.

Aber nicht nur die:

"Inhaber geistiger Eigentumsrechte sollen die Internetverbindungs-Daten, die bei der Vorratsdatenspeicherung anfallen, nutzen dürfen. [...] Sprich: Der Staat verpflichtet Internetprovider zur Vorratsdatenspeicherung. Und die Film- und Musikverlage können sich an diesen Daten bedienen - ohne dass ein Richter über die Rechtmäßigkeit der Anfrage entscheidet. Die Provider sind zur Herausgabe verpflichtet, ohne Richtervorbehalt. So will es der Bundesrat."

Wie sollen eigentlich der Kreis der "Inhaber geistiger Eigentumsrechte" eingeschränkt werden? Denn im Grunde sind alle Bürger Inhaber solcher Eigentumsrechte, denn fast jeder hat schon mal eine geistige Leistung veröffentlicht und sei es nur ein Posting wie dieses. Dürfen wir uns also in Zukunft gegenseitig ausschnüffeln oder wird diese Spannerei großzügigerweise auf Interessen-Verbände bzw. Industrielobbys eingegrenzt?

Das ganze Vorhaben strotzt vor Schwachsinn: Extremisten, Terroristen und Hochkriminelle werden sich flugs E-Mail-Konten außerhalb Deutschlands bzw. Europas einrichten, ihre Kommunikation verschlüsseln und anonymisieren, sich so der Überwachung entziehen. Die eigentlichen Gefährlichen werden von den Maßnahmen also kaum getroffen.

Mit nationalem Überwachungswahn wird versucht, das globale Internet zu kontrollieren, und die Deutschen der Totalüberwachung ein Stück näher zu bringen. Betroffen sein wird in erster Linie der normale Bürger, der zudem zusehen darf, wie die Inhaber "geistiger Eigentumsrechte" ungeniert und ohne richtlicher Kontrolle auf die Kommunikationsdaten der letzten 6 Monate Zugriff nehmen dürfen. Niemand kann dann kontrollieren, ob er nicht vielleicht aus purer Neugier ausgeschnüffelt wird. Auch angesichts der Schlampereien beim Datenschutz und Datenmissbrauch, die immer wieder in Unternehmen und Behörden bekannt werden, sind das Horror-Aussichten. Abgesehen von den Missbrauchsgefahren durch den Staat, die Polizei und die Justiz, die Daten zweckentfremden können, oder Regierungen, die die Opposition oder unliebsame Bürger beschnüffeln wollen.

Sollte das SPD/CDU-Vorhaben umgesetzt werden, dürfte es das Vertrauen in die parlamentarische Demokratie schwer erschüttern, und radikalen Parteien in die Hände spielen. Dabei ist der letzte Skandal nicht lange her: Mit breiter Zustimmung des Parlaments (bishin zu den Grünen) wurde vor wenigen Jahren dem EU-Haftbefehl zugestimmt, der dramatische Rechtseinbußen für deutsche Bürger zur Folge gehabt hatte, z.B. Zwangsauslieferung ohne Widerspruchsmöglichkeit bei der Begehung einer Tat, die in Deutschland gar nicht strafbar war. Erst das Verfassungsgericht hatte diesem Wahnsinn ein Ende gesetzt.

Man mag auch dieses Mal seine Hoffnungen auf das Verfassungsgericht setzen, die Tatsache aber, dass eine Regierung trotz Warnungen wiederholt an weitgehenden Einschränkungen von Bürgerrechten arbeitet, ist deshalb kein Stück beruhigender.

Mehr Informationen auch hier:
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/inhal...wm_dsl,00.html
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/index.php

Geändert von Heison (26.06.2007 um 23:16 Uhr)
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