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TweakPC Intern: Der Abmahn-Wahnsinn geht noch weiter!

Mittwoch, 27. Okt. 2004 23:34 - [rj] - Quelle:

Abmahnungen aufgrund des Anbietens illegaler Downloads sind derzeit noch in aller Munde, da wird auch schon die nächste Runde der "Abmahnerei" eingeläutet. Diesmal hat es uns erwischt. Kürzlich erreichte uns ein Schreiben einer Anwaltskanzlei, das von der Thematik her deutlich mehr in sich hat, könnte es doch das Aus für Informationsseiten und vor allem das Aus für den technischen Sektor im Internet bedeuten!

Hinweis: Wir werden hier keine Namen nennen, da es uns hier weder darum geht, die Anwälte anzugreifen noch deren Mandantin auf irgendeine Weise zu diffamieren. Letzten Endes nimmt die Mandantin nur ihr (angenommenes) Recht wahr und lässt sich durch die Anwälte vertreten. Auch wir mussten einen Anwalt hinzuziehen, um unsere Rechte zu verteidigen.

Uns geht es hier darum, den Sinn und Unsinn von Abmahnungen und speziell unseren Fall grundsätzlich in Frage zu stellen bzw. aufzuzeigen, welche Gefahr sich hinter "unserem Fall" verbirgt.

Interne Angelegenheiten würden wir im Normalfall auch intern behandeln. Wir sind aber überzeugt, dass hier das öffentliche Interesse und natürlich das der Kollegen der verschiedenen Online- und Printmagazine sehr groß sein dürfte und somit im Vordergrund stehen muss.

Die Ursache für die Abmahnung ist eine News über ein neues Produkt!

Kurz vor der CeBIT 2004 haben wir aufgrund einer Pressemitteilung eines taiwanesischen Herstellers eine News über ein neuartiges Produkt veröffentlicht, welches in Deutschland von diesem Hersteller wohl nicht einmal zu erwerben war bzw. ist. Wie üblich haben wir in dieser News zur Information unserer Leser den Hersteller genannt und angestrebte Preise in USD angegeben.

Nun, immerhin ein halbes Jahr später, wurden wir von Patentanwälten angeschrieben, die uns mitteilten, dass deren Mandantin in Deutschland einen Gebrauchsmusterschutz auf eben solche Geräte hat, wie wir eines in der News vorgestellt haben. Das von uns vorgestellte taiwanesische Produkt darf auf Grund des Gebrauchsmustershutzes deshalb in Deutschland nicht "angeboten/verkauft" werden.

Man wirft uns nun vor, dass die News über das Gerät ein "Anbieten" als eine der Benutzungshandlungen darstellt, die nach § 11(1) Gebrauchsmustergesetz allein mit Zustimmung des Gebrauchsmusterinhabers erfolgen darf.

In einem ersten Schreiben haben wir den Anwälten mitgeteilt, dass wir uns in diesem Fall auf das Recht auf freie Berichterstattung (Pressefreiheit) berufen und eindeutig klar gestellt, das wir keine Gegenstände irgendwelcher Art verkaufen, anbieten, einführen, geschweige denn ein Interesse daran hätten, sondern lediglich Berichterstattung über neue Produkte ausüben. Wir sind auch nicht im Besitz des Produktes, da es sich in dem Fall lediglich um eine Ankündigung dieses neuen Produktes handelte.

Dies wird von der Gegenseite jedoch nicht anerkannt und als nicht ausreichend angesehen. Dabei geht man sogar so weit, dass man unsere Berichterstattung als eine "Werbung von dritter Seite für schutzrechtsverletzende Gegenstände" und somit als "Marktstörung bzw. -behinderung" ansieht.

Man erwartet nun von uns eine Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung.

Eine Suche nach Grundsatzurteilen bzw. Urteilen in ähnlich gelagerten Fällen verlief bisher erfolglos. Augenscheinlich ist bis jetzt niemand auf die Idee gekommen, Internetseiten aufgrund redaktioneller Beiträge abzumahnen.

Blick in die Zukunft: Das Aus für Informationsseiten im Internet, Print und TV?

Spinnen wir die Gedanken rund um diese Abmahnung doch ein wenig weiter und nehmen an, dass die Gegenseite – wenn das auch noch so absurd für den normalen Menschenverstand wäre – sich hier vor Gericht durchsetzen könnte.

Wir könnten TweakPC aufgeben! Denn wir müssten vor der Veröffentlichung einer (Produkt-)News überprüfen, ob es zu dem Produkt eine Patent- oder Gebrauchsmusteranmeldung gibt und ob das von uns vorgestellte Produkt evtl. gegen dieses Patent bzw. Gebrauchsmuster verstößt. Andernfalls würden wir jedes Mal eine Abmahnung riskieren.

Dazu gibt es die so genannte Patentrecherche, und so was erledigen in der Regel Patentanwälte. Was es bedeuten würde, für jede einzelne News einen Patentanwalt zu beauftragen, kann sich wohl jeder ausmalen. Nicht nur, dass das finanziell schlicht und einfach nicht zu bezahlen wäre (zumindest nicht für uns und sicher auch nicht für viele andere), die News würde dann auch erst Tage bzw. Wochen später veröffentlicht werden können. Ob man den Begriff "News" dann in "Olds" umbenennen sollte? Unsere Redaktion zumindest müsste vermutlich aus einem Redakteur und 20 Patentanwälten bestehen.

Andere redaktionelle Beiträge, wie Testberichte, wären auch nicht mehr unproblematisch, denn auch diese könnte man als Angebote oder sogar Werbung auslegen, schließlich sprechen wir gelegentlich sogar Empfehlungen in Form von Awards für ein Produkt aus. Auch in den Testberichten wird ein Produkt vorgestellt und es müsste vorher geklärt werden, ob das Produkt irgendwelche Marken-, Gebrauchsmuster- oder Patentrechte verletzt.

Live-Berichterstattungen von Messen gäbe es dann ganz einfach gar nicht mehr. Denn während bei Testberichten und News der Aufwand alles Sinnvolle übersteigt, ist es bei Live-Berichten völlig unmöglich, patentrechtliche Fragen im Vorfeld zu klären. Was die Messeleitung der CeBIT wohl davon halten würde, wenn über die Messe im TV nicht mehr berichtet wird und über die Neuheiten der Messe in anderen Medien erst Wochen später etwas zu lesen ist? Und vor allem: Was würden die Hersteller selbst davon halten, wenn sich einfach niemand von der Presse mehr für Ihre neuen Produkte interessieren würde? Einfach weil sich die Presse das Risiko nicht leisten kann?

Auch die Printmagazine werden den Verlauf unseres Falls sicher mit wachen Augen verfolgen, schließlich tun sie dasselbe wie wir und hätten die gleichen Probleme, sollte die Rechtslage wirklich so absurd sein. Hinzu käme noch der Redaktionsschluss, bei dem feststehen muss, welche Artikel nun gedruckt werden. So manch ein Heft käme dann vielleicht nur halb so dick (oder gar nicht?) auf den Markt, weil die Patentrecherche erst nach Redaktionsschluss abgeschlossen und der Rechteinhaber noch nicht kontaktiert werden konnte.

Von da aus wäre es auch nur noch ein kleiner Schritt zu folgender Situation: Wenn ein Bericht oder eine News ein "Angebot" darstellt und aufgrund von Patentrechten ein solches nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers erfolgen darf, was hindert den Patentinhaber noch daran einen "unliebsamen, vielleicht negativ ausgefallenen Bericht" über sein eigenes Patentrechtlich geschütztes Produkt zu unterbinden?

Wie geht es weiter?

Nun, wir wissen es auch nicht. Wir haben uns auf jeden Fall dazu entschlossen, die geforderte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht abzugeben, da wir meinen, dazu nicht verpflichtet zu sein.

Denn dies würde für uns bedeuten, nicht mehr ohne Risiken über gleichartige Produkte berichten zu könnten, da wir evtl. gegen die Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung verstoßen würden.

Wir werden Sie auf jeden Fall über die Angelegenheit auf dem Laufenden halten.

Ihre TweakPC Redaktion

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