Kolumne: Nvidias Maulkorb-NDA, Failing-Fake-News-Media, Outrage-Culture, Trump und der ewige Klickbait...
Ja das hat man sich in der PR-Abteilung von Nvidia vermutlich auch anders vorgestellt, als man vor kurzem ein neues NDA an einige Pressevertreter herausschickte ...
.. und sich vermutlich dabei gerne gegen die dauernden Leaks und Klickbait mit internen Informationen aus der Grafikschmiede absichern wollte. Während einige Pressevertreter darin weniger ein Problem sahen (z.b.
CB oder
PCGH) oder sich mit Rechtsanwälten austauschten (
Gamers Nexus), gingen andere gleich auf die Barrikaden und sehen in dem "NDA einen Maulkorb" für die Presse (
heise). Anstelle den Unmut mit Nvidia direkt zu klären, ging die Sache so eben in die Öffentlichkeit.
Jeder der ein Technikmedium betreibt weiß, nichts bringt aktuell mehr Klicks und Links als NVIDIA-Bashing oder ein neuer Trump-Skandal. Wieso schreiben wir hier von Trump, der doch überhaupt nichts mit der ganzen Sache zu tun hat. Nun Trump bringt Klicks und daher dachten wir, bauen wir Trump doch auch ein, damit Google in dem Text und der Headline das Wort Trump, dem einerseits so unbeliebten aber andererseits beliebten POTUS findet! Zunächst wollten wir zu dem ganzen Thema eigentlich gar nichts schreiben, aber da die ganze Sache nun zu einem derartigen "Skandal" ausweitet, wollen wir bitte auch unseren fairen Anteil an "Klicks", weshalb auch der Titel dieser Kolumne entsprechend "übertrieben" ausgefallen ist und hat quasi nichts mit dem Inhalt oder eigentlichen Thema zu tun, aber das wird im Internet ja immer mehr zur Mode. (Sorry dafür, wir geloben Besserung). Den folgenden Text, sollte man trotz der Warheit im Kern, daher nicht zu genau nehmen, denn jeder hat mit NDAs so seine ganz persönlichen Erfahrungen.
Was ist eigentlich passiert?
Aber zurück zur Situation. Worum geht es eigentlich genau. Zunächst einmal muss man wissen, was überhaupt ein NDA ist. Das NDA (Non Disclosure Agreement) ist eine Vertraulichkeitsvereinbarung zwischen Vertragspartnern. Eine Seite erklärt sich darin damit einverstanden vertrauliche Informationen, die man als Gegenleistung für das Unterzeichnen des NDAs erhält, so lange vertraulich zu behalten, bis das NDA aufgelöst wird bzw. ein genannte Termin abläuft. NDAs können von ganz einfachen mündlichen Vereinbarungen bis hin zu seitenlangen Dokumenten reichen, die mit hohen Vertragsstrafen einhergehen. Je nach Bereich in dem NDAs geschlossen werden, können diese komplett unterschiedlich aussehen. Man kann sich vorstellen, dass ein NDA für Medizin oder Militärtechnik, bei der Informationen eigentlich nie an die Öffentlichkeit sollen, mit Sicherheit anders aussehen wird als ein NDA für die Presse, bei der die Veröffentlichung von Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt explizit gewünscht und auch geplant ist.
Ein NDA für Journalisten ist somit in erster Linie erst einmal ein Privileg, denn zumeist erhalten nur "ausgewählte Journalisten und Medien" überhaupt die Option ein NDA zu unterzeichnen um dann vertrauliche Informationen und Samples vorab zu erhalten. Und gelegentlich gibt es sogar noch eine schöne kostenlose Reise inklusive Vollversorgung und anschließendem Kurzurlaub (auf eigene Kosten) zum HQ des Unternehmens dazu!
Die Mehrheit der Menschen, die heute im Internet Informationen veröffentlichen, bekommt gar nicht erst die Möglichkeit ein NDA zu unterzeichnen und Informationen vorab zu bekommen, geschweige denn in den Genuss der restlichen "Rundumversorgung". Und wir alle wissen ja, wer ein Privileg in Gefahr sieht, der regt sich in der Regel deutlich mehr auf, als derjenige, der dieses Privileg noch nie bekommen hat.
Gerade im Technikbereich sind in NDAs oft die Bedingungen für die Vergabe von Samples geregelt. Denn logischerweise will ein Hersteller nicht, dass Testberichte schon Wochen vor der eigentlichen Veröffentlichung auftauchen oder das ein Sample gleich zum Reverse-Engineering an die Konkurrenz geht. Bei Grafikkarten geht es dabei oft sogar nur um so Kleinigkeiten wie dem höchsten Boost-Clock der Partnerkarten, bei dem die Hersteller um den besten Wert „pokern“ und natürlich nicht wollen, das andere Hersteller auch nur 1 MHz mehr haben und sämtliche Werte vor dem Launch kennen.
Journalisten, insbesondere solche, die Produkte testen, geben NDAs quasi im wöchentlichen Rhythmus ab. Nicht immer in schriftlicher Form, sondern oft auch einfach nur auf mündlicher Vertrauensbasis. Und bitte nicht vergessen, ein wichtiges NDA wird in der Regel nur denen angeboten, die man eh schon lange kennt und wo ein gewisses "Vertrauensverhältnis" zwischen Hersteller und Journalist vorliegt.
Je nach Eifer der Rechtsabteilung – große Firmen, die mehrere Rechtsanwälte oder gleich ganze Kanzleien beschäftigen (müssen), tun sich hier oft besonders hervor- sind diese zum Teil 10 Seiten lang. Das NDA von Nvidia ist kurz, weshalb es vermutlich ausnahmsweise mal komplett gelesen wurde.
Was genau die NDAs regeln ist komplett unterschiedlich, aber ein oft auftretender Aspekt ist, dass der Unterzeichner vorab nicht einmal weiß um welches Produkt/Thema es sich handelt, weil man diese Informationen natürlich erst dann erhält, wenn man das NDA unterzeichnet hat. Details wie Namen, Termine und andere allgemeine Informationen zum Produkt, sind dann eben bereits Teil des NDAs. Würde man zum Beispiel im NDA erwähnen dass dies für die neue „Highend NVIDIA XYZ“ ist, so wüssten ja auch Leute, die das NDA noch nicht unterzeichnen bereits, dass am bestimmten Datum ein neues NVIDIA Produkt namens XYZ im Highend-Segment erscheint. Genau dieser Punkt hat zur Folge, dass NDAs oft sehr weit gefasst und wage formuliert sind, weil sich der Hersteller maximal absichern will.
Genau auf diesen Fall ist man nun im Zuge des Nvidia NDAs getroffen. Das NDA regelt ganz allgemein, dass vertrauliche Informationen, die der Unterzeichner vorab enthält und die nicht der Allgemeinheit zugänglich sind, nicht ohne Einverständnis seitens Nvidia veröffentlicht werden dürfen.
NDA für ausgewählte Partner, die regelmäßige Informationen erhalten
Es geht hier also um Informationen, die von Nvidia regelmäßig explizit vorab nur an bestimmte Journalisten unter der Absprache der Vertraulichkeit zur Verfügung gestellt werden. Das NDA ist – so ist unser Verständnis – allgemein gehalten, weil es sich um einen fortlaufenden Prozess handelt, denn NVIDA schickt nicht nur vertrauliche Informationen zum Launch von neuen Produkten, es werden regelmäßig auch "kleinere" vertrauliche Infos, wie eine neue kommende Softwareversion oder Informationen zu neuen Game-Bundles vorab an Journalisten verschickt, die vertrauliche Informationen mit NDA-Datum erhalten. Ohne ein allgemeines NDA müsste Nvidia komplett auf die Fairness aller Journalisten vertrauen ( ... hüstel ...) oder sich vor jeder Mail-Sendung ein spezielles NDA für diese Pressemitteilung einholen, die sich zum Teil noch mit den NDAs von anderen Unternhemen überscheiden. Diesen wirklich impraktikablen Aufwand will man natürlich vermeiden.
Da es in der Regel immer um Informationen geht, von denen Nvidia gerade will, dass sie veröffentlicht werden, endet das NDA jeweils mit der Veröffentlichung der Information. Seien wir realistisch, Nvidia wird der Presse keine Informationen geben, von denen man definitiv nicht will, dass sie veröffentlich werden. Für solche Informationen gibt es weder NDAs, noch Absprachen! Solche Informationen werden über komplett andere Kanäle als die Nvidia-Presseabteilung geleaked, sie stammen meistens nicht einmal von Nvidia slebst und sind daher überhaupt nicht Bestandteil des NDAs.
Allgemein bekannte Informationen aus dem Netz oder auch aus anderen Quellen als von Nvidia fallen – so wie wir die Situation verstehen – eben gerade nicht unter das NDA. Das war auch schon immer so, denn sonst würden sich Leaks zu neuen Nvidia-Produkten nicht wie Waldbrände im Netzt verbreiten, da gerade vor einem Launch, nahezu alle größeren Medien - in jedem Fall die, die ein Sample erhalten - unter NDA stehen!
Die kritischen Passagen und der „Journalisten-Maulkorb“
Wie man sieht, ist das alles nichts Ungewöhnliches, was jedoch an dem neuen NDA von Nvidia die Gemüter so erhitzt, sind einige Formulierungen, die als reine Textpassagen ohne den nötigen Hintergrund sehr einfach zum Polarisieren einladen sich aber sich auch recht sachlich erklären lassen.
Die Dauer des NDAs ergibt sich für uns durch das regelmäßige zusenden von Informationen ohne ständig neue NDAs einholen zu müssen. Die Dauer gilt damit so lange bis das genannte Datum in jedem einzelnen Dokument erreicht ist, oder wenn kein Datum genannt wird eben nach 5 Jahre (Ein Zeitraum, der vermitlich willkürlich recht lang gewählt wurde). Dass das NDA für vertrauliche Informationen, die als Geschäftsgeheimnis angesehen werden, nie abläuft ist da schon etwas kritischer, weil nicht wirklich klar ist, welche Informationen als Geschäftsgeheimnis einmgestuft werden. Aber in unseren fast 20 Jahren, die wir mit NDAs zu tun haben, ist dieser Fall noch nie aufgetreten, denn Geschäftsgeheimnisse werden einem in der Regel als Journalist überhaupt nicht offiziell durch Nvidia im Zuge solcher NDAs mitgeteilt. Wir vermuten, dass das NDA nicht nur für Journalisten, sondern in ähnlicher Form auch für andere Geschäftspartner wie die Boardpartner genutzt wird, wo eher Geschäftsgeheimnisse preisgegeben werden.
Was uns an dem NDA auch etwas schmunzeln lies, ist die Formulierung „Der Empfänger verwendet vertrauliche Informationen ausschließlich zu Gunsten von Nvidia“, die sicherlich aus der Feder eines übereifrigen Rechtsanwalts stammt, der um die Kontroversen in der VGA-Industrie nicht Bescheid weiß. Gut ausgelegt kann man diese Formulierung wohl so lesen, das man mit den Informationen nicht gleich zum nächstbesten Konkurrenten geht der diese für seine „Gegenpropaganda“ nutzt. Schlecht ausgelegt sagt der Satz, dass man Nvidia nur in einem „guten Licht“ darstellen darf. Zweitere Interpretation würde tatsächlich jeden Review eines neuen Produkts ad absurdum führen. Wir können uns aber kaum vorstellen, das Nvidia diesen Punkt so interpretiert haben will.
Und damit kommen wir zu unserem abschließenden Statement, das den Fokus etwas verschiebt. Alles was aktuell diskutiert wird, zum Beispiel das Nvidia der Presse einen Maulkorb verpassen will, oder die Berichterstattung zum positiven drehen will, wird von Herstellern soweiso nicht über ein NDA durchgesetzt, sondern an ganz anderer Stelle!
Wie wir bereits oben geschrieben haben, Journalisten, die das NDA angeboten bekommen befinden sich in der Regel bereits in einer vorteilhaften und privilegierten Situation. Sie werden vorab mit Samples und Informationen versorgt, die Anderen überhaupt nicht zugänglich sind. Und genau hier liegt die eigentliche Macht der Hersteller. Nicht in der Formulierung des NDAs, sondern im Angebot überhaupt ein NDA abzugeben!
Das NDA ist nicht das Problem, die Macht der Hersteller liegt an ganz anderer Stelle
Will ein Hersteller einem Journalisten einen Maulkorb verpassen, so stellt er diesem einfach keine Informationen mehr zu Verfügung und setzt ihn auf eine sogenannte „Blacklist“! Journalisten auf einer Backlist bekommen weder Samples noch Infos und haben erst gar keine Möglichkeit mehr sich über ein NDA aufzuregen. Welche Macht ein Hersteller mit einer Blacklist ausüben kann wird schnell klar, wenn die eigene Lieblingswebseite zum Launch nie mehr einen Artikel über neue Produkte eines Herstellers haben wird. Gelinde gesagt kann so etwas eine ganze Publikation ruinieren, wenn sie nur intensiv genug auf einen Themenbereich spezialisiert ist.
Ja man kann sich vielleicht Samples über schwarze Kanäle besorgen, aber die Qualität der Reviews leidet darunter massiv, denn man bekommt nicht die neusten Treiber und Tools, die technischen Dokumente usw. Wäre es so einfach ohne NDA an diese Informationen zu kommen, würde kein Journalist auf der Welt mehr ein NDA abgeben.
Ein NDA setzt generell eine Vertrauensbasis zwischen den Partnern voraus, das leider oft auch gebrochen wird, sowohl von der einen als auch von der anderen Seite. So haben wir schon bei einigen Herstellern NDAs unterzeichnet, weil uns dafür im Gegenzug ein Sample zum Launch versprochen wurde, dass dann aber nie zu Verfügung stand, während das Produkt aber schon Tage vor dem Ablauf des NDAs im Handel war. Prinzipiell haben wir uns damit selbst einen Maulkorb verpasst und uns um den Review zum Launch gebracht. In einem anderen Fall haben wir einen neuen Treiber veröffentlich, weil uns schlicht nicht aufgefallen war, das dieser unter einem mündlichen NDA stand. Es gab einen Klopfer auf die Finger und die Sache war erledigt.
Und nu?
Der „Skandal“ um das NDA wird so schnell verschwinden wie er gekommen ist, denn die Sache wird unserer Meinung nach hier öffentlich viel zu sehr hoch gepuscht. Ein typisches Symbol wie die Outrate-Kultur in Foren und Social-Media und für Klickbait.
Im Prinzip stört man sich an ein paar schlechten Formulierungen in dem Dokument. Hier geht es weniger um die Sache als ums Prinzip und Outrage-Klicks. Vielleicht wird Nvidia Passagen einfach anpassen oder auch auf Stur schalten. Bei Anpassungen, kann sich die Presse als weißer Ritter gegen den Bösen Tyrannen in weiteren Klickintensiven-Posts präsentieren, im anderen Fall wird die Sache zum nächsten Launch, bei dem Samples verteilt werden verschoben und wieder hoch gekocht. An dem eigentlichen Problem wird sich nichts, aber auch gar nichts ändern. Die Macht für die Verteilung von Samples und Informationen liegt beim Hersteller und wird dort auch bleiben. Kein Journalist kann einen Hersteller dazu zwingen ihm Samples oder vertauliche Informationen zu geben. Und kein NDA hält einen Journalisten davon ab, bei der Veröffentlichung seine eigene ehrliche Meinung zu schreiben.
Wir sehen uns durch NDAs eigentlich in unserer Berichterstattung und Meinungsbildung nicht eingeschränkt und sollten dem irgendwann so sein, werden wir das entsprechende NDA einfach widerrufen und keinerlei Informationen/Samples von Nvidia mehr annehmen. Es wäre nicht der erste Hersteller, bei dem wir so verfahren.
Vielleicht sehen wir die ganze Sache auch komplett falsch und viel zu entspannt, weil uns die "rechtliche Kompetenz" fehlt, wenn ja, dann schreibt uns doch einfach euren Standpunkt der Dinge...
Kolumne: Nvidias Maulkorb-NDA, Failing-Fake-News-Media, Outrage-Culture, Trump ... 
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