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Panorama und das ewige Problem mit der Wahrheit

Freitag, 06. Apr. 2007 23:19 - [zk] - Quelle: TweakPC

Wie angekündigt hat am Donnerstag das Panorama-Magazin erneut die Computerspiele unter Beschuss genommen. Erstaunlich, was man dort alles erfahren konnte, doch noch erstaunlicher, was dort alles verschwiegen wurde.

In Anja Reschkes Stimme - der Panorama Moderatorin - schwingt Unverständnis mit, als sie den Zuschauer darüber aufklärt, dass die Panorama-Redaktion bezüglich ihrer letzten Computerspiel-Berichterstattung online beschimpft wurde. Dass der Grund hierfür die fehlerhaft-präsentierten Inhalte und die diversen Falsch-Darstellungen des Panorama-Magazins sein könnten, verschweigt sie jedoch. Einen viel besseren Grund will man stattdessen woanders gefunden haben. Und so revangiert sich Panorama für die Online-Kritik mit der neuen Berichterstattung über die Suchtgefahr bei Computerspielen.

Gezeigt wird ein pubertierender Jugendlicher, der sich gegen seine Mutter auflehnt und seinem kleinen Bruder den Bienenstich weg isst. Dieses Kapitalverbrechen ahndet Panorama mit drei Experten-Meinungen. Zu Wort kommt Dr. Bert te Wildt, dies aber nur kurz, denn er verwendet unspektakuläre Umschreibungen wie "wir können nicht genau abschätzen" und "ich glaube". Fakten kann er keine bieten, wie er ehrlich zugibt, da dieses Thema noch viel zu sehr in den Kinderschuhen steckt. Kein Problem für die Panorama-Redaktion, so bemüht man einfach die Suchtexpertin Dr. Sabine M. Grüsser-Sinopoli, die davon ausgeht, dass 6% bis 12% aller Computerspieler süchtig seien. Dies ist für die Panorama-Redaktion das richtige Kanonen-Futter, so scheint es zumindest. Dass die Suchtexpertin das Problem aber nicht in den Computerspielen selbst, sondern in der fehlenden Aufmerksamkeit, Zuwendung und Anerkennung sieht, möchte die Panorama-Redaktion nicht berichten. Wie jedoch ein anderes Interview der Frau Doktorin zeigt, haben glücklicherweise andere Redaktionen kein Problem damit, die ganze Wahrheit zu berichten.

Ebenfalls sehr glaubwürdig tritt schließlich Prof. Dr. Christian Pfeiffer auf, der einen Zusammenhang zwischen den schulischen Sitzenbleibern und den Computerspielen vermutet. Wie wir herausgefunden haben, stützt er sich dabei auf die Daten einer KFN-Schülerbefragung von 2005. Dies verschweigt aber die Panorama-Redaktion, denn in dieser Studie werden nicht nur Computerspiele berücksichtigt, sondern auch der Fernseh-Konsum und der familiäre Hintergrund der Kinder, die beide einen ebenso starken Einfluss auf die schulischen Leistungen nehmen, aber ganz offensichtlich nicht dem von der Panorama-Redaktion gewünschten Feindbild entsprechen. Sehr interessant ist auch eine weitere These, die der Professor vertritt. Nämlich das private und öffentlich-rechtliche Nachrichten-Sendungen, zu Gunsten ihrer Einschaltquoten, ihre Inhalte extrem dramatisieren, was zur Fehlinformation der Bevölkerung führt. Dies verursache einen Teufelskreis aus blindem Aktionismus in der Politik, ungerechtfertigt harten Strafen in der Straftatbemessung und nicht zuletzt auch zu verunsicherten und verängstigten Bürgern. Doch dafür hat das Panorama-Magazin leider auch keine Sendezeit übrig.

Ganz gleich was die Experten sagen und denken, für die Mütter der gezeigten Kinder stand von vornherein fest, dass nicht sie als Elternteil versagt haben. Es ist ganz klar die Computerspiel-Industrie, die solche Spiele herstellt und vertreibt. Fragt sich nur, woher das Geld stammt, mit dem sich diese Schulkinder ihre spieletauglichen Computer aufrüsten und mit dem sie diese Flut an Computerspielen erwerben können. Doch auch für diese Wahrheit interessiert man sich nicht bei der Panorama-Redaktion. Das Feindbild ist schließlich schon vorgegeben und die Berichterstattung dementsprechend mühevoll angepasst. Die Frage wohin so eine Berichterstattung führen soll, konnte - oder wollte - man uns bisher nicht beantworten. Ironischerweise fehlt dafür dem Magazin mit dem Namen "Panorama" wohl einfach nur der nötige Weitblick.

Für den zweifelhaften Panorama-Beitrag "Spiel ohne Grenzen: Wenn Computersucht die Kindheit zerstört" sind mitverantwortlich: Stephan Wels, Thomas Berndt, Michael Cordero, Sonia Mayr, Lars Hinrichs, Martin Nowak und Anja Reschke. Falls Sie sich nun fragen, warum wir diese Herrschaften so rühmlich auflisten. Dies geschieht aus dem einfachen Grund, weil in diesem Moment Suchmaschinen und Internet-Archivierungs-Dienste unter anderem auch diese Seite hier einlesen und es noch in Jahren und Jahrzehnten den Menschen ermöglichen, nachzulesen, mit welcher Gewissenhaftigkeit sich so mancher Redakteur um die Wahrheit bemüht.
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