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Gewaltdarstellung ist nicht mit Gewaltverherrlichung gleichzusetzen

Donnerstag, 07. Dez. 2006 18:40 - [jp]

Der Justiziar des Deutschen eSport-Bundes e. V. (ESB), Dr. Johannes Ulbricht, nimmt zum Vorschlag eines Gesetzesentwurf durch den Innenminister von Bayern, Günther Beckstein, Stellung.

Pressemitteilung des Deutschen eSport-Bundes e.V.

Gewaltdarstellung ist juristisch nicht mit Gewaltverherrlichung gleichzusetzen - Zur Diskussion um eine Neuregelung des § 131 StGB

Berlin, 07. Dezember 2006 - Die Verbotsforderungen von bestimmten Computerspielen nach den Ereignissen in Emsdetten wurden vor wenigen Tagen durch den Innenminister von Bayern, Günther Beckstein, erstmals in einem Gesetzesentwurf konkretisiert: Der bayerische Innenminister fordert dabei, §131 des Strafgesetzbuches dahingehend zu ändern, dass zukünftig auch "Killerspiele" erfasst werden. Der Justiziar des Deutschen eSport-Bundes e.V. (ESB), Dr. Johannes Ulbricht, vertritt nach näherer juristischer Analyse die Auffassung, dass es juristisch nicht zulässig wäre, die Forderung von Günther Beckstein umzusetzen. Denn der neue § 131 StGB würde gegen das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot (Artikel 103 Abs. 2 Grundgesetz) und gegen die Kunstfreiheit (Artikel 5 Abs. 3 Grundgesetz) verstoßen.

In seiner derzeitigen Fassung verbietet § 131 Strafgesetzbuch bei Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, an der Herstellung, Verbreitung oder Veröffentlichung bestimmter medialer Inhalte mitzuwirken. Das Verbot erfasst allerdings nicht Fälle, in denen die medialen Inhalte ausschließlich Personen über achtzehn Jahren zugänglich gemacht werden. Mediale Inhalte werden vom Verbot erfasst, wenn sie
  • grausame oder unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen schildern und
  • eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrücken
  • oder das Grausame und Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellen.
Die Gewalttätigkeiten müssen sich gegen Menschen richten, Gewalttätigkeiten gegen menschenähnliche Wesen wie z. B. Zombies reichen nicht aus.
Verherrlichen bedeutet die Gewalttätigkeiten mit einem positiven Wertakzent zu versehen und sie z. B. als Bewährungsprobe für männliche Tugenden oder als Mittel zur Erlangung von Ruhm darzustellen. Verharmlosen bedeutet ein Bagatellisieren der Gewalttätigkeiten als akzeptable Form der Konfliktlösung. Eine Darstellung kann z. B. dann die Menschenwürde verletzen, wenn sie ein sadistisches Vergnügen an den Gewalttätigkeiten vermittelt oder die Opfer als menschenunwürdig erscheinen lässt. Wo da im konkreten Einzelfall die Grenze zwischen Erlaubtem und Verbotenem sein soll, ist nur schwer vorhersehbar. Das Grundgesetz verlangt aber, dass der Inhalt eines strafrechtlichen Verbots hinreichend klar vorhersehbar sein muss, so dass man erkennen kann, wann die Grenze zum Verbotenen überschritten wird (strafrechtliches Bestimmtheitsgebot). Deshalb werden von zahlreichen Strafrechtlern bereits bei der geltenden Fassung des § 131 erhebliche Zweifel angemeldet, ob die Vorschrift verfassungsgemäß ist.

Durch die von Günther Beckstein angestrebte Gesetzesänderung würde die Unbestimmtheit des § 131 noch weiter erhöht. Die Vorschrift soll dahingehend ausgeweitet werden, dass zukünftig auch Computerspiele erfasst werden, bei denen es dem Spieler als Haupt- oder Nebenzweck ermöglicht wird, eine grausame oder die Menschenwürde verletzende Gewalttätigkeit gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen auszuüben. Es ist juristisch völlig unbestimmt und eine Frage des persönlichen Geschmacks, wann eine Gewalttätigkeit „grausam“ ist. Man kann durchaus die Auffassung vertreten, dass die Grausamkeit auch dann zu bejahen ist, wenn die Gewalt keineswegs gebilligt wird, sondern z. B. das einzige Mittel ist, um Schaden von Dritten abzuwenden. Damit kämen de facto fast alle Computerspiele, bei denen es die Möglichkeit gibt, Gewalt im weiteren Sinn einzusetzen, in das Risiko der Strafbarkeit. Selbst bei den meisten Jump & Run- Spielen kann der Spieler Gewalt gegen menschenähnliche Wesen einsetzen.
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