Seasonic Prime Titanium im Test
Seasonic Prime - So gut ist Sea Sonics neues Top-Netzteil wirklich!
Wer sich etwas mit Netzteilen befasst oder sich
für gute Netzteile interessiert, dem sollte
Sea Sonic seit langem ein
Begriff sein. Als Schwergewicht im OEM-Business hat sich der Hersteller auch erfolgreich im Retail-Handel breit gemacht und feiert dort insbesondere
im High End Bereich Erfolge. Das darf man durchaus als beachtenswerte Leistung
ansehen, denn den meisten OEMs gelingt das trotz vieler Versuche gerade in
Deutschland - wo die Ansprüche bekanntlich sehr hoch sind - eher nicht.
Seasonic-Technik steckt zudem auch in vielen Top-Modellen von Herstellern,
die ihre Netzteile nicht selbst fertigen.
Im Jahr 2009 stellte Seasonic die X-Serie vor, die in einigen Punkten am
Markt richtungsweisend war. Die Netzteile dieser Serie erlangten durch neue
Features wie vollmodulare abnehmbare Kabel, semipassive Lüftersteuerung und
einer hervorragenden Qualität einen hohen Bekanntheitsgrad. Nach kleineren Updates und vor allem ständiger Verbesserung der Effizienz
ist drei Jahre später die
Seasonic Platinum Serie eingeführt worden, die bis
heute in technischen Punkten ein hervorragendes Netzteil abgibt und bei
unserem letzten Test Ende 2015 einen exzellenten Eindruck
hinterließ. Die Seasonic Platinum Netzteile gehören auch weiterhin zu den
Top-Netzteilen am Markt, sind nun aber nicht mehr die Top-Klasse bei Sea
Sonic. Diese Rolle übernimmt nämlich ab sofort das Seasonic Prime.
Unter dem Namen Prime findet man bald nicht nur ein einzelnes
Netzteil, sondern eine ganze neue Serie von Modellen. Alle zukünftigen
Premium-Modelle werden unter dem Namen Prime auf dem Markt auftauchen und
umfassen dann Titanium, Platinum aber auch günstigere Gold-Netzteile. Die
Netzteile weisen signifikante Gemeinsamkeiten auf, wie eine konstant
hochwertige Bauteilbestückung, vollmodulare Kabel, semipassive
Lüftersteuerung und ein neues deutlich aufgewertetes optisches Design, dass
bei Seasonic bislang eher konservativ ausgefallen ist. Mit dem Prime bekommt
man nun ein extrem schnittiges Design, dass nicht nur schick aussieht,
sondern auch einen sehr hochwertigen Eindruck hinterlässt.
Höchste Ansprüche an Spannungsregulation und Effizienz
Die neuen Seasonic Prime Netzteile mit Titanium-Zertifizierung - kurz
auch Prime Titanium genannt - sind die Speerspitze und das erste Modell, das
aus der Serie vorgestellt wird. Es tritt nicht nur als Top-Modell von
Seasonic an, sondern kämpft um die Titel des besten verfügbaren ATX-Netzteils. Dementsprechend ist der Anspruch, der an dieses neue Modell gestellt
wird, enorm. Neben der extrem hohen Effizienz soll vor allem die
Spannungsregulation mit angegeben 0,5% Abweichung neue Maßstäbe setzen.
Bereits 1 % gelten derzeit als Top-Klasse. Das Prime soll eine Holdup-Time
von über 30 ms besitzen ( und dass wo die geforderten 16 ms von Netzteilen nicht
einmal eingehalten werden). Auch bei den Ripple-Werten sollen im Vergleich
zum Vorgänger große Schritte vorwärts gemacht worden sein.
Und noch eine deutliche Änderung gibt es beim Prime. Im Gegensatz zu
älteren Gold- und Platinum-Netzteilserien, sind die Prime nicht mehr mit den
typischen doppelt kugelgelagerten Lüftern ausgestattet, sondern wie in der
"Silent-Snow-Series" mit flüssigkeitsgelagerten FDB-Lüftern ausgestattet.
Die Prime-Spannungsregulation bringt messtechnische Herausforderungen
Unser Test des Prime sollte eigentlich schon zum Launch des Netzteils
erscheinen, aber leider sind wir über ein paar Hindernisse gestolpert, die
den Test deutlich verzögert haben. Das akkurate Testen der
Spannungsregulation des Prime Netzteile stellte sich nämlich als deutlich
komplizierter heraus als erwartet.
Sea Sonic gibt für das Prime eine 0,5% Spanungsregulation an. Das bedeutet
zum Beispiel, dass auf der 3,3 V Leitung in einem Bereich von +-0,5 % also
0,0165V geregelt wird. Ein korrekter Test des Prime ist daher auch
nur an einem sehr präzisen Netzteiltester möglich und man muss aufpassen,
dass nicht die Testmethode selbst das Ergebnis beeinflusst oder gar
sogar bestimmt!
Die Ergebnisse unseres ersten Musters, dass wir von Seasonic erhalten
haben, konnte die geforderten Werte bei uns nicht einhalten. Zunächst gingen
wir von einem Problem im Netzteil selbst aus, was sich aber anhand eines
weiteren Musters nicht bestätigte. In Kleinarbeit stellte sich am
Ende der ATX-Anschluss des Netzteils als Übeltäter heraus. Dieser erzeugte
an unserer Chroma einen Übergangswiederstand, der die 3,3 und 5V Spannung
unter Last klar messbar abfallen ließ. Bereits ein Abfall um 0.01 V
verfälscht die Werte des Netzteils prozentual gesehen erheblich.
Um das Problem in den Griff zu bekommen haben wir unser komplettes Chroma-Setup noch einmal kalibriert
und überarbeitet, dazu einige Anschlüsse erneuert und zudem zum Vergleich
ein von Seasonic spezielle angepasstes Kabel herangezogen, dass die Spannung des Netzteils direkt am
ATX-Stecker misst und nicht wie sonst üblich am Anschluss-Board hinter dem
Stecker. Die Messungen mit diesem Kabel zeigen uns also die Differenz
zwischen der Spannung, die direkt aus dem Netzteil kommt und der Spannung,
die hinter dem ATX-Stecker typischerweise auf einem Mainboard anliegt. Das
ist deshalb interessant, weil die Spannungsregulation des Netzteils die Spannungen
mittels Sense-Leitungen ebenfalls direkt am ATX-Stecker und
nicht auf dem Mainboard misst. Das Netzteil regelt also so, dass am Stecker
die korrekte Spannung anliegt. Was dahinter passiert, dafür ist das
Netzteil blind.
Um die Vergleichbarkeit mit vorherigen Tests einzuhalten haben wir
natürlich auch in unserer bisherigen Methode vermessen und nutzen die
Messung mittels des speziell angefertigten Kabels nur zu
Demonstrationszwecken, aber nicht für die eigentliche Bewertung des
Netzteils. Am Ende ist für uns relevant welche Spannung auf dem Board
ankommt, nicht welche Spannungen innerhalb das Netzteils oder der Kabel
vorhanden ist.
Insgesamt fünf Prime Titanium 650 vermessen
Nachdem wir die Testresultate anhand von drei Modellen des Prime von Seasonic ermitteln konnten, galt es natürlich noch herauszufinden, ob diese
Werte auch repräsentativ sind. Dazu haben wir noch einmal tief in die Tasche
gegriffen und zwei Modelle unabhängig aus dem Handel bestellt. Ein Muster
wurde bei Mindfactory und eines bei Amazon bestellt. Insgesamt konnten wir
so fünf Muster des Prime testen, wovon also drei Muster von Seasonic und zwei aus
dem Handel stammten. Ein Muster fehlt auf unseren Bildern, weil wir das Sample zur Analyse verschickt hatten.
(Vier der insgesamt fünf getesteten Prime Titanium 650 Netzteile)
(Zwei mal das Seasonic Prime
Titanium 650 aus dem Handel)
Wie das neue Seasonic Prime dabei abgeschnitten hat, das zeigen wir euch
auf den folgenden Seiten, in denen wir auch wieder einige neue interessante Dinge
eingebaut haben. Also auf geht es und schauen wir, ob das Prime wirklich so
gut ist, wie Seasonic angibt und seinem Namen alle Ehre macht.
Unser Test-Equipment
Gerade wenn es darum geht kleinste Unterschiede in der Effizienz zu bestimmen und so ein Netzteil qualitativ einordnen zu
wollen, ist extrem teures professionelles Messequipment unabdingbar. Bei günstigen Messgeräten sind die Messtoleranzen so hoch, dass eine
korrekte Einschätzung der Performance im Vergleich zu anderen Netzteilen kaum möglich ist.
Wir werden In Sachen Testequipment direkt vom deutschen Chroma
Service Center unterstützt. Chroma ist auf professionelles Testequipment
zur Effizienzmessung spezialisiert und unterstützt uns mit Know-How in
Sachen Messtechnik. Die Messtechnik von Chroma gilt im Bereich der
Netzteilproduktion und Qualitätskontrolle als Referenz.
Neben der Chroma Teststation verfügen wir über weitere präzise Messinstrumente wie Keysight 34461a 6,5 Digit-Voltmeter, drei
4-Kanal-Oszilloskope mit 100 MHz, mit denen wir konstant alle Spannungen des Netzteils sowie die PG, PS_ON und AC-In Signale überwachen.
Zu Kontrolle der Ripple-Noise-Werte besitzen wir zudem eine Low-Voltage-Differential-Probe, wie sie in den ATX-Spezifikationen
vorgeschlagen wird.
Wer unsere Tests regelmäßig verfolgt, der weiß, dass wir zudem auch noch Zugriff auf die Teststation von Cooler Master in direkter Nähe in Eindhoven haben
und in Zweifelsfällen dort unsere Ergebnisse an einer zweiten Station aber
in einem anderen Setup verifizieren können. Wir sind nun also nun in der mehr als "luxuriösen" Lage gleich zwei Chroma-Teststationen
in direkter Reichweite zu haben. Davon kann so manch ein Netzteil-Anbieter in Deutschland nur träumen. Das so angesammelte Testequipment
kommt auf einen Wert von weit über 100.000 Euro und ermöglicht uns wirklich jeden Aspekt eines Netzteils überprüfen zu können, wenn wir
die notwenige Zeit dazu aufbringen können.