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Kolumne: Von Laien regiert...

Sonntag, 03. Mai. 2009 22:46 - [fs]

Das Thema Internetsperren für Kinderpornos greift in den letzten Wochen um sich. Unsere Familienministerin Frau von der Leyen hat sich dem Thema angenommen und möchte das Thema zu ihrer Baustelle machen.

Nun hat sie vorgeschlagen, die Zugriffe auf Seiten mit kinderpornografischem Inhalt zu sperren. Hierfür präferiert sie zur Zeit sogenannte DNS-Sperren. Das Domain Name System (kurz DNS) dient im Internet als Telefonbuch, über das Domains wie www.tweakpc.de in die entsprechenden IP-Adresse 195.149.74.176 umgewandelt werden.

Der Ansatz von Frau von der Leyen greift nun hier an. Surft ein Kunde auf eine Webseite www.kinderporno.de, soll der Rechner nicht die richtige IP-Adresse zurückerhalten, sondern einen Warnhinweis. Man kann diesen Ansatz damit vergleichen, die entsprechenden Seiten des Telefonbuchs herauszureißen - sollte jemand die Adressen (oder Telefonnummern) auf anderem Wege erfahren, ist das Angebot einfach erreichbar. Der Domainname ist nämlich prinzipiell nichts weiter als eine leicht zu merkende Abkürzung für die IP Adresse einer Webseite.

Dieser einfache Ansatz kann allerdings auf einfachste Weise umgangen werden, indem ein anderer öffentlichen DNS-Server eingetragen wird. Ein Video zeigt dabei drastisch, dass diese Einstellung von jedem PC-Nutzer innerhalb weniger Sekunden durchgeführt werden kann. Es zeigt damit deutlich, welch populistischen Charakter die von Frau von der Leyen geforderten Internetsperren haben.

Kritiker zeigten, wie nutzlos Sperren in anderen Ländern sind. Die Seiten werden auf die Sperrlisten gesetzt, unternommen wird danach allerdings nichts mehr. Obwohl die Mehrzahl an Kinderpornos auf europäischen oder amerikanischen Servern liegen, wird von den Behörden in anderen Ländern kaum etwas dagegen unternommen. Nach dem Motto "Auf der Liste, aus dem Sinn" sind die Angebote auch nach Monaten noch erreichbar.
Die Behörden könnten eine überwältigende Zahl an Servern leicht schließen oder zumindest das verwerfliche Material löschen lassen. Nur gemacht wird es kaum.

An dieser Stelle fordern wir daher: Sinnvolle Aktionen statt Populismus!

Die Zensur von Internetinhalten löst keine Probleme und verhindert keinen einzigen Fall der Kindesmisshandlung. Hier ist ein entschiedenes Handeln der Polizeibehörden von Nöten - und das ist auch mit der aktuellen Rechtslage weltweit möglich. Nur kosten neue Polizeistellen mehr als ein vermeintlicher Internetfilter.

Der ComputerClub 2 befasst sich in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Thema Internetsperren etwa ab Minute 13. Dabei zeigt Peter Welchering auf, wie weitreichend der aktuelle Gesetzesentwurf des Deutschen Bundestages ist. Abseits der aktuellen Diskussion sollen auch weitreichende Sperren, die am Rechtsstaat vorbei eine vollständige (und wirkungsvolle) Zensur des Internets in Deutschland ermöglichen werden, ermöglicht werden. Für technisch versiertere Nutzer sei zudem auf einen ausführlichen Beitrag des Chaosradio verwiesen, der das Thema etwas tiefgreifender behandelt als die meisten Medien.

Handelt jetzt!

Um Ihrer Stimme in der aktuellen Diskussion ein Gewicht zu geben, können Sie an einer Petition des Deutschen Bundestages teilnehmen. Jeder Bürger sollte sich zudem bewusst sein, dass er alle vier Jahre etwas gegen Populismus und für Demokratie unternehmen kann - im September wird ein neuer Bundestag gewählt - informiert euch und springt auch über euren eigenen "Die wähle ich schon immer"-Schatten.
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