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Kommentar: Anonymous tötet Fazehbuk!

Dienstag, 09. Aug. 2011 20:39 - [jm]

Anonymous kündigt gleichsam den digitalen Weltuntergang an. Ein neues Ziel wurde auserkoren, Facebook. Die weltgrößte digitale Kommunikations- und Interaktionsplattform soll am 5. November sterben.

Ja, Sie haben richtig gelesen: Am 5. November möchte die Anonymous-Bewegung Facebook vernichten. "Warum so lange warten? besser jetzt, hier und gleich!" - solche Gedanken mögen dem ein oder anderen vielleicht gerade durch den Kopf schießen.

Aber nein. Der Zeitpunkt ist natürlich mit Symbolik aufgeladen, denn an jenem Datum scheiterte im Jahre 1605 ein Terroranschlag katholischer Extremisten auf das britische Parlament. Dies hatte zur Folge, dass die britischen Katholiken in Folge des Attentatsversuchs noch mehr geächtet und unterdrückt wurden, als es zuvor ohnehin schon der Fall war.

Nimmt man also diese Vorgeschichte und überträgt sie auf den Plan von Anonymous Facebook zu zerstören, dann muss dieser scheitern, um den historischen Rückbezug zu rechtfertigen. Die gesteigerte Verachtung der treuen Facebook-Nutzer dürfte Anonymous allerdings in jedem Fall für sich verbuchen können, sobald auch nur ein geringes Störpotenzial freigesetzt wird.

Das ist es auch, was Anonymous - selbsternannter Herrscher des Internets - in der Botschaft anschneidet: "Eines Tages wirst du zurückschauen auf diese Sache und realisieren, was wir getan haben, ist richtig". Nun kann jeder in seiner Kristallkugel oder seinem Kaffeesatz nachlesen, ob diese Prophezeiung wohl eintreffen wird oder nicht; auf jeden Fall ist die Formulierung "eines Tages" der Hinweis darauf, dass nach Ansicht von Anonymous die Zerstörung Facebooks von dessen Nutzern nicht umgehend goutiert werden soll.

Die Rechtfertigung für die geplante Aktion liefert Anonymous selbstverständlich in schlechtestem Deutsch gleich mit:

"Facebook verkauft Informationen an staatliche Einrichtungen und geben heimlichen Zugriff auf Informationen, Bewachungsunternehmen, so können sie Menschen aus der ganzen Welt ausspionieren. Einige dieser sogenannten Whitehat INFOSEC Firmen sind für autoritäre Regierungen, wie die von Ägypten und Syrien tätig. Alles was Sie tun auf Facebook bleibt auf Facebook unabhängig von Ihrer "Privatsphäre"-Einstellungen und auch das Löschen von Ihrem Konto ist unmöglich. Auch wenn Sie ihr Konto löschen, bleiben all Ihre persönlichen Daten auf Facebook und können jederzeit wiederhergestellt werden. Das Ändern der Privatsphäre-Einstellungen, um Ihren Facebook-Konto mehr in "privat" einzustellen ist auch eine Täuschung. Facebook weiß mehr über dich als deine Familie."



Abgesehen von dem ganzen pauschalisierten Verschwörungs-Kram bezüglich Überwachungsunternehmen, Informationsverkauf an staatliche Einrichtungen und Spionage trifft Anonymous natürlich auch ins Schwarze. Richtig und an vielen Stellen erwiesen ist, dass Facebook einen problematischen Umgang mit personenbezogenen Daten pflegt.

Aber ist das ein hinreichender Grund, Facebook gleich zerstören zu wollen oder zu müssen? Was ist mit all den vielen Menschen, die das Gebaren Facebooks billigend in Kauf nehmen, für die der persönliche Nutzen größer ist, als der zu erwartende individuelle Schaden? So wie der Bußgeldbescheid beim Schwarzfahren in öffentlichen Verkehrsmitteln, der Sonnenbrand am Strand im Urlaub oder dass Rauchen das Risiko an Krebs zu erkranken erhöht? Es gehört doch auch gerade zum Wesen der Freiheit eines Individuums, persönliche Entscheidungen fällen zu dürfen und zu können, dann aber auch für unintendierte Folgen geradezustehen. Die Selbstverantwortung eben.

Auch hier hat Anonymous eine Antwort parat: "Sie können nicht von der Realität unterscheiden, die Menschen die im Internet leben. [...] Es ist unannehmbar, weil die Menschen vergewaltigt werden, bekritzelte, belästigt und verwirrt um Dinge zu tun, wo sie die Folgen nicht verstehen."

In verständliches Deutsch übersetzt bedeutet das nichts anderes, als dass Anonymous die Nutzer von Facebook pauschal für zu dumm erklärt, sich der Tragweite ihres Handelns im sozialen Netzwerk bewusst zu sein. Und aus dieser Unterstellung erwächst bei Anonymous die Folgerung, dass man die Anwender vor sich selbst schützen müsse.

Das Problem ist, das Anonymous dabei selbst eine höchst totalitäre Ideologie verfolgt: nämlich die freie Entscheidung von freien Menschen durch Zwang zu unterbinden. Ob ein Regime im nahen Osten oder Maghreb-Raum seine totalitäre Herrschaft stärkt, indem es freie Kommunikation der Bürger (etwa über Facebook) unterbindet, oder ob Anonymous dies tut, indem es die Kommunikationsplattform zerstören will, darin besteht im Ergebnis kein Unterschied. Sogar die Argumentation ist die selbe: Totalitäre Regime und Anonymous begründen die Entmündigung der Menschen damit, dass es zu ihrem Schutz, ihrem eigenen Besten sei.

Schließlich desavouiert Anonymous dadurch auch den abschließenden Satz der Erklärung: "Wir haben das Recht, nicht als Sklaven leben zu müssen". Dabei ist es ja gerade ein wesentliches Erkennungsmerkmal der Sklaverei, nicht frei über eine eigene Lebensgestaltung bestimmen zu können, sondern der Willkür anderer ausgesetzt zu sein. Die Selbstverantwortung ist es, die dem Sklaven vorenthalten wird.

Schlussbemerkung: Der Autor dieser Zeilen lehnt eine Mitgliedschaft im sozialen Netzwerk Facebook aus einer freien Entscheidung heraus rigoros ab.
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